Ver­nei­nung und (nega­ti­ve) Befehle

Was muss man tun, wenn man auf eine Fra­ge mit „nein” ant­wor­ten will bzw. gene­rel­le Ver­nei­nun­gen zum Aus­druck brin­gen will? Das schau­en wir uns jetzt mal genau­er an. :)

Wir ken­nen ja schon kehe, nein, was man benut­zen kann, um auf Ja/N­ein-Fra­gen zu ant­wor­ten. Was aber, wenn man gan­ze Sät­ze in sich ver­nei­nen will? Dafür haben wir ke. Ke muss immer direkt vor das zu ver­nei­nen­de Verb gestellt wer­den. Beispiele:

Oe sle­le. Ich schwim­me.
Oe ke sle­le. Ich schwim­me nicht.

Ngal syak­sy­u­kit atun tso­le’a. Du hast den roten Pro­le­mu­ris gesehen.
Ngal syak­sy­u­kit atun ke tso­le’a. Du hast den roten Pro­le­mu­ris nicht gesehen.

Oe tsun yivom tsat. Ich kann das essen.
Oe ke tsun yivom tsat.
Ich kann das nicht essen.

Sra­ke ngal ‘uot li yolom fìtrr?” - „Kehe, ke yolom oel”. „Hast du heu­te schon etwas geges­sen?” - „Nein, habe ich nicht.”

Die­se „ke direkt vor’s Verb”-Regel gilt auch für si-Ver­ben! Hier­bei wird ke direkt vor si plat­ziert:
Mefo uvan si. Die bei­den spielen.
Mefo uvan ke si. Die bei­den spie­len nicht.

So weit, so ein­fach, oder? Nächs­tes Level:

 

 

Ein­fach genug, oder? ;) Aber… das ist lei­der noch nicht alles. Na’­vi kennt näm­lich auch noch Mit­tel und Wege, um „kein(e/r)” mit­tels kea oder Wör­tern wie kaw­krr, ke’u, kaw­tu etc. zu sagen. Dabei wird immer die dop­pel­te Ver­nei­nung not­wen­dig. Beispiele:

Kaw­krr ke slayu nga Na’­vi­yä hapxì! Du wirst nie­mals Teil der Na’­vi werden!

Kaw­tu ke tsun kivar ngar fya’ot a kame. Nie­mand kann dir bei­brin­gen zu sehen.

Ke rolun oel poti kawtseng. Ich habe ihn nir­gend­wo gefunden.

Fìta­ro­nyut­syìp ke tsun ke’ut stivä’nì. Die­ser klei­ne Jäger kann nichts fangen.

Auch bei der Ver­nei­nung gibt es fei­ne Nuan­cen in Bedeutungsunterschieden:
Ke tsun oe kekem sivi. Ich kann nichts tun. (Ich bin nicht in der Lage irgend­et­was zu tun.)
Tsun oe kekem ke sivi. Ich kann nichts tun. (Ich könn­te etwas tun, bin aber lie­ber faul und rüh­re kei­nen Finger.)

Noch ein paar Bei­spie­le zu kea, wel­ches dann zum Ein­satz kom­men soll­te, wenn es kein pas­sen­des bereits in sich ver­nein­tes Sub­stan­tiv (s.o.) gibt:
Fìsäs­pxinìri ngeyä ke län­gu kea ‘umtsa. Es gibt lei­der kei­ne Medi­zin für dei­ne Krankheit.
Na’rìng a ke lal­mu tsar kea rìk. Der Wald, wel­cher kei­ne Blät­ter gehabt hatte.
Slä vay set ke pamähän­gem kea tì’eyng. Aber bis jetzt kam kei­ne Ant­wort an :(

 

Die dop­pel­te Ver­nei­nung funk­tio­niert ein wenig anders als die, die wir aus der deut­schen Spra­che ken­nen. Bei uns erge­ben Minus und Minus ein Plus, also qua­si nein + nein = ja. Bei den Na’­vi ist dies nicht so, da bleibt Minus eben Minus und nein bleibt nein:

Ich habe kei­ne Hei­le­rin nicht gese­hen = Ich habe eine Hei­le­rin gesehen.
Oel ke tso­le’a kea zey­koyu­ti. = Ich habe kei­ne Hei­le­rin gesehen.


Es gibt aber auch noch Situa­tio­nen, in denen man 2x ke ver­wen­den muss bzw. kann:

Poe ke li ke polä­hem. Sie ist noch nicht ange­kom­men. (li = bereits/schon; ke li = noch nicht)

Fra­pol ke tslo­lam. Alle haben (es) nicht verstanden.
Ke fra­pol ke tslo­lam. Nicht alle haben (es) verstanden.
Zum Ver­gleich:
Kaw­tul ke tslo­lam. Kei­ner hat (es) verstanden.

Bei „ke fra-” und „ke li” Kon­struk­tio­nen benö­ti­gen wir immer (wie bei der dop­pel­ten Ver­nei­nung mit kea) ein ver­nei­nen­des kevor dem Verb.

Das Gan­ze erfor­dert etwas Umden­ken, aber ihr kriegt das im Lau­fe der Zeit schon hin, da hab’ ich kei­ne Bedenken :)

 

 

Und dann gibt es noch ke… kaw’it und ke… nul­krr.
Ke… kaw’it bedeu­tet „nicht ein biss­chen, nicht im gerings­ten, über­haupt nicht”; ke… nul­krr bedeu­tet „nicht län­ger, nicht mehr”.  Kaw’it und nul­krr müs­sen immer am Satz­enede ste­hen und erfor­dern immer ke vor dem ver­nein­ten Verb.
Beispiele:

Oel ke tslo­lam tsat kaw’it! Ich habe das über­haupt nicht verstanden!
Poan ‘ewan ke lu kaw’it. Er ist über­haupt nicht jung.

Ke sle­le oe nul­krr. Ich schwim­me nicht mehr.
Fo uvan ke si ‘awsi­t­eng nul­krr. Sie spie­len nicht län­ger zusammen.

 

 

Wie kom­man­diert man ande­re her­um? In dem man den Impe­ra­tiv, also die Befehls­form verwendet.
In der deut­schen Spra­che wer­den dafür nor­ma­ler­wei­se Ver­ben gekürzt und/oder ver­än­dert, aus „gehen” wird „geh!” oder „geht!”. Aus „lesen” wird „lies!” oder „lest!”.

Auch Na’­vi ver­än­dert u.U. Ver­ben, um die Befehls­form zu bil­den, macht sie dabei jedoch mit Hil­fe des <iv>-Infix län­ger - oder sie blei­ben ein­fach in ihrer Grund­form bestehen. Das haben wir bereits in Lek­ti­on 13 gesehen:

 

Rut­xe, pivllt­xe. Sprich, bit­te. (Mögest du bit­te sprechen.)
Kivä neto! Hau ab! Geh weg! (Mögest du weggehen!)
Ayn­ga neto rivikx! Bewegt euch weg! Tre­tet zurück! (Möget ihr euch weg bewegen!)

Ob im Zusam­men­hang mit dem Impe­ra­tiv <iv> ver­wen­det wird oder nicht, ist rei­ne Geschmacks­sa­che. Der Befehl wird durch <iv> nicht „mil­der” oder weni­ger „harsch”, <iv> wirkt sich hier also nicht wirk­lich bedeu­tungs­ver­än­dernd aus!

Um aus einem Befehl eine auf­for­dern­de Bit­te zu machen, kann man jeder­zeit ger­ne rut­xe ver­wen­den - „bit­te” und „dan­ke” haben schließ­lich noch nie wirk­lich geschadet ;)

Ohne <iv> bleibt der Ton der Befeh­le also der gleiche:
Rut­xe, pllt­xe. Sprich, bit­te. 
Kä neto! Hau ab! Geh weg!
Ayn­ga neto rikx! Bewegt euch weg! Tre­tet zurück!

 

 

Wie man eine Aus­sa­ge ver­neint, haben wir in Lek­ti­on 17 gelernt, näm­lich mit ke. Der natür­li­che Impuls wäre wohl also, dass man ke auch für nega­ti­ve Befeh­le ver­wen­det, doch das wäre falsch; denn dafür haben wir ein eige­nes Wört­chen: rä’ä.

Es muss nor­ma­ler­wei­se (wie ke) vor das zu ver­nei­nen­de Verb inner­halb des nega­ti­ven Befehls plat­ziert wer­den, auch hier­bei ist die Ver­wen­dung von <iv> (sie­he oben) optio­nal, scheint aber gene­rell weni­ger häu­fig aufzutreten:

Rä’ä kivä! Geh(t) nicht!
Txo­pu rä’ä si! Hab’/habt kei­ne Angst!
Sngum rä’ä si! Mach(t) dir/euch kei­ne Sorgen!
Rä’ä fwi! Rutsch(t) nicht aus!
Rä’ä sti­vi. Sei nicht wütend/sauer.

Noch ein paar tol­le Bei­spiel­sät­ze von Na’viteri.org:
Nim rä’ä lu! Pohu piv­äng­kxo! Sei nicht scheu! Rede mit ihr!
Oeti rä’ä srätx. Nerv mich nicht. / Geh mir nicht auf den Keks.
Ngal new a tsa­’ut rä’ä wivo, ma ‘evi. Vivin. Greif dir nicht ein­fach das was du haben willst, Kind. Bit­te vor­her darum.
Kea kem ley­ew­la rä’ä si, rut­xe. Bit­te ent­täu­sche mich nicht. (Wört­lich: Bit­te mach kei­ne ent­täu­schen­de Handlung.)
Sti­wi rä’ä si, ma ‘eveng! Uvan si mì sen­go ala­he. Sei nicht frech/unartig, Kind. Geh woan­ders spielen.

Apro­pos Kin­der und Zurecht­wei­sung sel­bi­ger; es gibt sogar eine kur­ze Redens­art, die sich spe­zi­fisch an unar­ti­ge Kin­der richtet:
Rä’ä räp­tum! Sei nicht (so) frech/unhöflich! Benimm’ dich!
Beach­tet, dass hier das dazu­ge­hö­ri­ge bzw. ver­nein­te Verb (ver­mut­lich lu bzw. livu) fehlt bzw. fal­len gelas­sen wurde.

 

 

Doch hier gibt es im Gegen­satz zu ke eine Aus­nah­me; rä’ä kann näm­lich auch dahin­ter gestellt wer­den, um die Wir­kung von rä’ä zu ver­stär­ken (sie­he Hin­weis zu „Gewicht” in Sät­zen am Satz­en­de in Lek­ti­on 3). Dadurch wird gege­be­nen­falls kon­text­ab­hän­gig aus „mach das nicht” eher ein „mach das bloß nicht” bzw. „wehe du machst das”:

Fwi rä’ä! Rutsch nicht aus! -oder- Rutsch bloß nicht aus! -bzw.- Wehe du rutscht aus!
Oeti ‘ampi rä’ä, ma skxawng! Rühr’ mich nicht an, Idi­ot! -oder- Wehe du rührst mich an, Idiot!

Haya yakro fti­vang. Salew rä’ä. Hal­te bei der nächs­ten Abzwei­gung an. Geh/fahr/reite nicht weiter.

Tem rä’ä! Schieß nicht! / Nicht schießen!!

 

Beach­tet bit­te, dass dies aber nicht bei si-Ver­ben mög­lich zu sein scheint, zumin­dest konn­te ich dazu kei­ne offi­zi­el­len Bei­spie­le fin­den. Soll hei­ßen, geht lie­ber auf Num­mer Sicher und stellt rä’ä wei­ter­hin zwi­schen den Haupt­teil des si-Verbs und das Hilfs­verb si, wie in z.B. txo­pu rä’ä si.

 

 

rä’ä vs. ftang

Es mag viel­leicht von sich aus schon klar sein, aber der Voll­stän­dig­keit hal­ber möch­te ich es hier noch­mal verdeutlichen:
Es ist ein Unter­schied wenn ich sage „mach das nicht” im Ver­gleich zu „hör auf das zu machen”. Die bei­den Aus­sa­gen sind nicht gleich­wer­tig, auch wenn das „deut­sche Hirn” ger­ne mal „lass das!” mit „mach das nicht!” gleich­setzt. Die Vari­an­te mit „hör auf”, ftang, setzt vor­aus, dass die ent­spre­chen­de Hand­lung bereits begon­nen hat bzw. gemacht wird. Bei nega­ti­ven Befeh­len mit rä’ä jedoch spielt das kei­ne Rol­le; da kann die Hand­lung bereits statt­fin­den, noch nicht statt­ge­fun­den haben oder statt­ge­fun­den haben. 
Ver­gleicht selber:

Sti­wi rä’ä si! Sei nicht frech!
Ftang sti­wi sivi! Hör auf frech zu sein!

TL;DR: rä’ä geht immer, ftang nur, wenn die Hand­lung bereits und immer noch stattfindet.

 

 

Übung I:

Wel­che Übersetzung/en ist/sind korrekt?

1. Er hat nie­man­dem geschadet.
  1. Kaw­tut pol ke kxu soli.
  2. Po kaw­tur kxu ke soli.
  3. Po kaw­tur kxu soli.
2. Dei­ne Schwes­ter hat noch nie ein Pa’­li geritten?
  1. Pa’­lit tsmu­kel ngeyä kaw­krr ke molak­to srak?
  2. Pa’­li ke tsmu­ke ngeyä molak­to srak?
  3. Pa’­lit tsmu­kel ngeyä mi kaw­krr molak­to srak?
3. Ich ver­ste­he über­haupt nicht was sie sagt.
  1. Ke tslam oel aylì’ut a pllt­xe pol kaw’it.
  2. Ke tslam oel kaw’it aylì’ut peyä.
  3. Ke tslam oel aylì’ut peyä kaw’it.
4. Wir kön­nen nicht län­ger warten!
  1. Awn­ga tsun pivey nulkrr!
  2. Ke tsun pivey awn­ga nulkrr!
  3. Awn­ga ke tsun pivey!

 

Übung II:

Setzt die hier behan­del­ten gram­ma­ti­ka­li­schen Ele­men­te in den ent­spre­chen­den Lücken ein und übersetzt:

  1. __krr saw­tu­te­ti oel __ tsole’a.
  2. __ fra­ta­ro­nyul ayye­ri­kit __ taron nìltsan.
  3. Ney­tir­i­ru __ saw­tu­te mal __ lu.
  4. Po __ tsun tsli­vam futa __tu srung __ soli ‘eyla­nur sneyä.
  5. Furia tsa­p’a­lu­te soli po, oeru __’u.
  6. __ tsun kiva­me fo.
  7. Slä wayìnt­xu awn­gal foru futa __ tsun fo fìkem sivi!
  8. Eyk­tan ayoeyä __ tsun tiva­ron __.
  9. __ li pol __ tung futa awn­gal kutu­ti ‘eko.
  10. __tseng __ ioang __ latsu.
  11. Tsa­ri __tur __ lu __ krr.

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