Hier geht es um zwei spezielle Präfixe (sä- und tì-), die nicht produktiv sind und dafür (von KP) verwendet werden, um aus anderen Wortklassen (meist Verben oder Adjektive) Substantive zu bilden („Substantivierung” bzw. „Nominalisierung”). Ich werde mein bestes versuchen, um euch die Unterschiede in Bedeutung und Verwendung zu veranschaulichen Und um dies zu tun, versuche ich für beide möglichst ähnliche Stammwörter zu verwenden.
Wie ihr selbst aus Verben Substantive bilden könnt haben wir bereits in Lektion 13 erfahren und der Vollständigkeit halber ist diese Info auch nochmal weiter unten in dieser Lektion zu finden.
Und vergesst nicht den Teil über pum ganz unten in dieser Lektion! Pum ist nämlich extrem nützlich und sollte wesentlich häufiger Anwendung finden.
sä- … spezifische Instanzen von Substantiven -versus- tì- … unspezifische Instanzen von Substantiven
Klingt kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. Sä-Substantive beziehen sich meist auf ein konkretes Vorkommnis oder Geschehen - während solche mit tì- eher ein abstrakteres bzw. allgemeineres Konzept transportieren wollen.
Nehmen wir mal das Wörtchen ‘ipu. Es ist ein Adjektiv und bedeutet „lustig, amüsant, witzig, humorvoll”. Es dient als Wurzel für die beiden Substantive sä’ipu und tì’ipu.
Sä’ipu ist eine konkrete substantivierte Instanz von ‘ipu, also „der Witz” oder „etwas Witziges/Amüsantes/Lustiges”. Tì’ipu hingegen transportiert ein allgemeineres, abstrakteres substantiviertes Konzept von ‘ipu, nämlich „der Humor, die Komik”. Klar? Noch nicht ganz?
Kein Problem, lasst mich versuchen dieses Konzept bzw. den Unterschied anhand einiger weiterer Beispiele zu veranschaulichen:
sätaron - die Jagd (spezifische Instanz des Jagens)
Sätaron fìtrrä flolä nìtxan. Die heutige Jagd war sehr erfolgreich. (Die heutige Jagd, sehr spezifisch.)
tìtaron - die Jagd (allgemeines bzw. abstraktes Konzept)
Tìtaron sunu oer. Die Jagd gefällt mir. Ich mag es zu jagen. (allgemeine Aussage, keine spezifische Jagd oder Instanz einer Jagd, z.B. die gestrige Jagd → sätaron trramä.)
Tìtaronìri po flä frakrr. Was die Jagd angeht, so ist er immer erfolgreich. („immer erfolgreich” … also keine spezifische Instanz einer Jagd, sondern die Jagd im allgemeinen Sinne.)
säflä - der Erfolg
Säfläri peyä ftxozä si awnga. Wir feiern seinen Erfolg.
tìflä - der Erfolg, das Erfolghaben (abstrakt, allgemein)
Tìflä poru teya si. Erfolg erfüllt ihn/sie mit Freude. (Klar, wen nicht? Aber auch hier wieder: Hier ist Erfolg im allgemeinen gemeint, kein spezifischer Erfolg, wie zum Beispiel eine Beförderung oder so. Einfach nur Erfolg im generellen Sinne.)
säfmi - der Versuch, das Bemühen, Bestreben.
Peyä säfmi a srung si noluängi. Ihr Versuch zu helfen ist leider gescheitert. (Konkreter Versuch der Hilfe.)
tìfmi - der Versuch (allgemein, abstrakt)
Fìtseori ke tsun kawtu pivähem tìyo’ne; tsranten tìpähemä tìfmi nì’aw. In dieser Kunst kann keiner Perfektion erreichen; das Einzige was zählt ist der Versuch, dorthin zu gelangen. (allgemeiner Versuch Perfektion zu erreichen.)
säwäte - der Streitpunkt (konkreter Dreh- und Angelpunkt einer Auseinandersetzung)
Säwäte fìtìpängkxoä lu ftxey pol fpeioti yolora’ nìmuiä fuke. Der Streitpunkt dieser Diskussion ist ob er den zeremoniellen Kampf rechtmäßig gewonnen hat oder nicht. (Hier meint säwäte nicht die konkrete Instanz eines Streits, sondern bezieht sich auf einen Streitpunkt bzw. Dreh- und Angelpunkt eines Streits. Fällt etwas aus dem sä-/tì-Schema, aber Na’vi und Ausnahmen bzw. Abweichungen und so… )
tìwäte - der Streit, die Auseinandersetzung
Tìwätel oeti srätx. Streit nervt mich. (Streit im allgemeinen, also kein spezifischer Streit bzw. Vorkommnis eines Streits. Aber… da säwäte sich nur auf einen Streitpunkt und nicht eine Instanz eines Streits bezieht, kann tìwäte auch für einen konkreten Disput verwendet werden.
Ich finde hier wird besonders schön deutlich, dass sä- spezifisch ist, während tì- vage und allgemein bleibt.)
säyäkx - die Abweisung, das Ignorieren
Fìsäyäkxit ayoel ke tswaya’. Er wird diese Zurückweisung nicht vergessen. (Konkretes Vorkommnis einer Abweisung bzw. Zurückweisung von jemandem.)
tìyäkx - die fehlende Beachtung, das Ignorieren
Tìyäkx ke lu srunga’, ma tsmuk. Nga txo sti, oeyktìng teyngta pelun. Ignorieren nützt nichts, Bruder. Du bist wütend, erkläre warum. (Allgemeines/unspezifisches Ignorieren einer Angelegenheit, hier Gefühle.)
Produktive Substantivierung aus Verben - tì- + <us>
Diese Form der Substantivierung, also ein Prozess, bei dem man in diesem Fall aus einem Verb ein Substantiv macht, ist produktiv. Ob es immer sinnvoll ist, diese Substantivform (anstelle eines „originalen” Substantivs wie z.B. die oben genannten) anzuwenden… diese Frage zu beantworten überlasse ich euch. Es gibt sicherlich Situationen, in denen es sinnvoll ist, aber sie sind im Vergleich doch etwas rarer gesät. In Lektion 13 hatten wir uns dieses Thema bereits angeschaut. Hier nun weitere Ausführungen:
taron - jagen
tìtusaron - das Jagen (Handlung/Vorgang des Jagens)
Tìtusaron fkxaranga’ längu! Jagen ist anstrengend!
flä - erfolgreich sein
tìflusä - das Erfolgreichsein (Handlung/Vorgang)
Tìflusäl nrrati ‘eykul. Erfolgreichsein lässt Stolz wachsen.
fmi - versuchen, probieren
tìfmusi - das Versuchen/Probieren (Handlung/Vorgang)
Furia tsan’ul nì’aw tìfmusi srung sayi oer. Nur das Versuchen wird mir dabei helfen besser zu werden.
wäte - streiten, widersprechen
tìwusäte - das Streiten/Widersprechen (Handlung/Vorgang)
Tìwusätel mefeyä oeti srätx. Das Streiten der beiden nervt mich.
yäkx - ignorieren, nicht beachten
tìyusäkx - das Ignorieren, Nichtbeachten (Handlung/Vorgang)
Horenìri tìyusäkx lehrrap lu. Das Nichtbeachten von Regeln ist gefährlich.
Ach ja, übrigens, diese Form der Substantivierung funktioniert NICHT mit si-Verben.
Der Vollständigkeit zuliebe könnt ihr auch gerne nochmal einen Blick auf die anderen Beispiele zu tì- + <us> in Lektion 13 werfen.
pum - ein extrem nützliches Helferlein a.k.a. Dummy- bzw. Platzhalter-Substantiv
In der deutschen Sprache wollen wir gleiche Substantive in einem Satz nicht immer wieder wiederholen; stattdessen lassen wir das zweite, gleiche Substantiv einfach weg (oder arbeiten mit den entsprechenden Artikeln „der, die, das”):
Dein Haus ist groß - mein Haus ist klein. → Dein Haus ist groß - meins ist klein.
Die Na’vi handhaben dies ähnlich, jedoch lassen sie dabei nichts weg, sondern ersetzen das zweite Substantiv, welches wiederholt werden würde (im Deutschen aber oft fallen gelassen wird), durch pum:
Kelku ngeyä lu tsawl - pum oeyä lu hì’i. Dein Haus ist groß - meins ist klein.
Pum „mimt” quasi automatisch das vorher vorhandene Substantiv im gleichen Satz. Wie Ditto aus Pokémon
Fìlì’ukìng lu pum aswey. Dieser Satz ist der beste (Satz).
Tsatute lu lora pum alor. Diese Frau ist eine wunderschöne (Frau).
Ätxäle suyi ohe pivawm, peolo’ luyu pum ngengeyä? Ich erbitte höflichst erfragen zu dürfen, welcher Stamm ist der Deine?
Ta’leng prrnenä lu faoi, pum koaktuä ekxtxu. Die Haut eines Babies ist weich, die eines alten Menschen (ist) rau.
Nga lu rolyu anawri slä Ninat lu pum aswey. Du bist eine talentierte Sängerin, doch Ninat ist die beste (Sängerin).
Faysäfpìl faysì’efusì lu pum oeyä nì’aw. Diese Gedanken und Gefühle sind lediglich meine eigenen (Gedanken und Gefühle).
Hum zìsìt alal, pähem pum amip. Yo’kofya atì’iluke. Das alte Jahr geht, das neue (Jahr) kommt. Ein endloser Kreislauf.
Lam set fwa sawtute akawng holum, pum asìltsan ‘ì’awn. Es scheint nun, dass die bösen Himmelsmenschen weggegangen sind, (doch) die guten (Himmelsmenschen) bleiben.
Nantangtsyìpìl oeyä pxeyayoti tolaron, pumìl ngeyä mefayoangti stolä’nì. Mein Hund hat drei Vögel gejagt, deiner hat drei Fische gefangen.
Ftue lu fwa taron ngonga ioangit to fwa taron pumit a lu walak sì win. Es ist einfacher ein träges Tier zu jagen als eines, welches lebhaft und schnell ist.
Krro krro, flìa vul arusey to nutxa pum akerusey lu txur. Hin und wieder ist ein dünner Ast stärker als ein dicker toter (Ast).
Masat oeyä ley nìftxan na pum ngeyä. Meine Brustplatte ist genauso wertvoll wie deine (Brustplatte).
Mì slär ayoeyä lu pxaya spxam, mì fum ayngeyä ke lu kea ayspxam. In unserer Höhle gibt es viele Pilze, in eurer gibt es keine Pilze.
Hier könnte man spxam nicht durch pum ersetzen, da pum bereits slär wiederholt bzw. ersetzt - 2x pum (für verschiedene Substantive) wäre zu verwirrend und nicht klar genug.
Und auch wenn pum ein sehr nützliches Wörtchen ist, so wird es vergleichsweise doch eher selten gebraucht. Meistens reicht ein tsaw / tsal / tsat oder dergleichen vollkommen aus. Lasst uns das mal genauer anschauen.
Wenn ich sagen wollen würde, „Du hast einen neuen Hund?! Ich will auch einen!”, zu welchem Wörtchen würdet ihr greifen?
Richtig wäre: Ngaru nantangtsyìp amip lu srak? New oel pumit nìteng!
Hier wird nicht vom exakt selben Hund geredet, nur davon, dass man am liebsten auch einen (anderen, nicht den exakt gleichen) Hund hätte. Also ist pum die richtige Wahl, weil es nur das Substantiv „Hund” wiederholt, nicht den individuellen Hund in diesem Beispiel. Würde man statt pumit hier tsat verwenden, würde es bedeuten, dass man genau diesen individuellen Hund von „nga” haben möchte, und das wäre schon etwas dreist, oder?
Was ist mit „Ich mag meine Arbeit nicht mehr. Ich brauche eine neue.” ?
Nun, … Tìkangkem oeyä ke sunu oeru nulkrr. Kin oel pumit amip.
Hier ist es ähnlich; man braucht eine neue Arbeit, also schon einmal nicht die exakt selbe, also jene, die einem eben nicht mehr gefällt. Daher: pum. Auch hier wieder; würde man tsat statt pumit verwenden, würde es bedeuten, dass man die gleiche Arbeit, aber in neu haben wollen würde, was wenig bis null Sinn machen würde, oder nicht?
Was ist aber mit „Ich habe ein Bild gemalt, aber es ist nicht sehr gut.” ?
Relit oel woleyn, slä tsaw ke lu sìltsan nìtxan.
Hier schaut’s schon anders aus; denn hier ist zweimal die Rede vom exakt selben Bild, weswegen pum falsch wäre. Pum würde hier bedeuten, dass ein anderes Bild (nicht das, welches ich gemalt habe), nicht gut ist. Deswegen tsaw, weil damit eben das von mir gemalte gemeint ist.
Hmm, ich hoffe damit wurde der Unterschied ein wenig klarer
Übung I:
Welche Substantivvariante ist hier am sinnvollsten?
Übung II:
Pum oder eine Form von tsaw (tsal, tsat, tsa’u, tsaw)? Wählt die richtige Variante: