Erlaub­nis vs. Fähig­keit: tsun vs. tung & Pas­si­ve Stimme

Erlaub­nis ver­sus Fähig­keit: tsun & tung

Wenn man jeman­dem etwas erlaubt, also jemand etwas darf, gibt es auf Na’­vi dafür eine mehr oder min­der fixe Art und Wei­se, wie man das aus­drü­cken kann, näm­lich: tung futa

tung = erlau­ben, zulas­sen, las­sen, gestat­ten, gewähren.

Schon mei­ne Deutsch­leh­re­rin hat sich immer dar­über auf­ge­regt, wenn die Schü­ler gefragt haben „Kann ich mal auf’s Klo?” - als schnip­pi­sche Ant­wort kam dann meis­tens „Ich weiß nicht, ob du’s kannst…” :really: Heu­te ver­ste­he ich, woher die­se schnip­pi­sche Ant­wort kam. Wir ver­wech­seln näm­lich ger­ne mal „kön­nen” mit „dür­fen”

Was heißt „kön­nen”? Im umgangs­sprach­li­chen Deut­schen kann dies hei­ßen, dann man die Fähig­keit besitzt, etwas tun zu kön­nen oder dass man etwas machen darf (Erlaub­nis). Vie­le wäh­len also des­we­gen auto­ma­tisch tsun, um bei­des auf Na’­vi aus­zu­drü­cken, was per se auf Deutsch wie auch auf Na’­vi nicht „falsch” ist, aller­dings wirk­lich genau oder ele­gant… nun, da schei­den sich die Geis­ter. Wenn man es genau neh­men möch­te, kann man sich an fol­gen­dem orientieren:

Fähig­keit (kön­nen): tsun,
Erlaub­nis (dür­fen): tung oder tsun.

Man kann und darf :P aber tsun durch­aus für bei­des ver­wen­den, denn die Na’­vi ver­murk­sen das augen­schein­lich genau­so ger­ne wie wir; sie set­zen kön­nen oft mit dür­fen gleich bzw. ver­wech­seln es. Daher ist tsun in all den hier genann­ten und fol­gen­den Situa­tio­nen nicht ver­kehrt - ich möch­te nur den­noch hier auf die fei­nen Unter­schie­de zwi­schen tsun und tung ein­ge­hen.

 

Bei­spie­le (beach­tet hier dabei den Dativ -ru in man­chen Sät­zen und des­sen Aus­wir­kung, lest dazu noch­mal in Lek­ti­on 10 + 14 nach, falls nötig):
tung mit futa:
Ke tung Na’­vil futa tswìk kxe­ne­rit Mo’a­ra­ka nìwotx.
Die Na’­vi erlau­ben nicht, dass man in ganz Mo’a­ra (eine Ziga­ret­te) raucht. In ganz Mo’a­ra ist das Rau­chen verboten.

Pol tolung futa oe kivä. Er hat erlaubt, dass ich gehe.
Pol tolung oeru futa kivä. Er hat mir erlaubt zu gehen.
Tung oer futa kivä! Erlau­be mir zu gehen! Lass mich gehen!

Oel nga­ru tung futa taron. Ich gestat­te es dir zu jagen.
Sa’nokìl tung ‘evi­ru sneyä futa uvan sivi ‘eylan­hu. Die Mut­ter erlaubt ihrem (eige­nen) Kind mit (sei­nem) Freund zu spielen.

Ke tamung pol futa nan­t­ang skxir si ‘ite­ru sneyä. Sie ließ  nicht zu, dass der Nan­t­ang ihre Toch­ter verletzt.

 

Gene­rell kann tung aber auch ohne futa ver­wen­det wer­den. tung mit direk­tem Objekt (Sub­stan­tiv), wel­ches nicht futa ist:
Ke tung fkol tìwu­se­mit fìt­seng. Man erlaubt Kämp­fen hier nicht. Kämp­fen ist hier nicht erlaubt.
Ke tung fkol tìslu­se­le fìkil­van­mì. Man erlaubt das Schwim­men in die­sem Fluss nicht. Das Schwim­men ist in die­sem Fluss nicht gestattet.

 

Neh­men wir doch noch­mal den Bei­spiel­satz von oben, „Kann ich mal auf’s Klo?”, und über­set­zen ihn ein­mal im Bezug auf Fähig­keit und ein­mal im Bezug auf Erlaubnis:

Sra­ke tsun oe fngivä’? - Kann ich pin­keln? Habe ich Harn­drang, Ort, Gele­gen­heit, funk­tio­nie­ren­de Bla­se, also die Fähig­keit um pin­keln zu kön­nen?
ODER:
Sra­ke tsun oe fngivä’? - Darf ich pin­keln? Erlaubt man mir pin­keln zu gehen?

Sra­ke tung oer futa fngä’? - Erlaubt (man) mir zu pin­keln? Darf ich auf­ste­hen, aufs Klo gehen etc.? Gibt man mir die Erlaub­nis?

Aber wie oben bereits erwähnt geht tsun in bei­den Fäl­len, die Bedeu­tung („dür­fen”) bleibt bei tsun sowie bei tung erhal­ten, auch wenn die wört­li­che Über­set­zung genau genom­men zu einem unter­schied­li­chen Ergeb­nis führt:

Wört­lich:
Sra­ke tsun oe fngivä’?
- Kann ich pinkeln?

Über­tra­gen:
Sra­ke tsun oe fngivä’?
- Darf ich pin­keln?

Aber man muss ja auch nicht immer alles super genau neh­men - tun wir in unse­rer Mut­ter­spra­che ja schließ­lich auch nicht, wie hier ver­an­schau­licht wurde :P

 

 

Bit­ten und Gefallen

Man kann tsun also auch ver­wen­den, um um etwas zu bit­ten. Ähn­lich wie im Deut­schen kann man auch auf Na’­vi fol­gen­des machen:

Tsun tivìng ngal tsko­ti oeru srak? Kannst du mir den Bogen geben? = Wür­dest du mir den Bogen geben?

Hier wird nicht unbe­dingt gefragt, ob jemand in der Lage ist etwas zu tun (Fähig­keit), son­dern hier wird um etwas gebe­ten (Gefal­len). Geht also auch mit tsun.

 

Dann haben wir aber seit kur­zem auch das Wört­chen tstun­kem bzw. tstun­kem si - Gefal­len bzw. jeman­dem einen Gefal­len tun. Damit kann man dann z.B. fol­gen­des anstellen:

Tstun­kem si oer rut­xe. Bit­te tu mir einen Gefallen.

Tung oer futa vin tstunk­emit nga­ta. Erlau­be mir dich um einen Gefal­len zu bitten.

Sra­ke tung oer futa vin tstunk­emit nga­ta? Darf ich dich um einen Gefal­len bitten?
Sra­ke tsun oe vivin tstunk­emit nga­ta? Darf ich dich um einen Gefal­len bitten?

Ihr seht also, es gibt zig Vari­an­ten, wie man auf Na’­vi Wör­ter im Bezug auf Fähig­keit, Erlaub­nis, Bit­ten oder Gefal­len anwen­den kann. Reich­lich künst­le­ri­sche Frei­heit also! :D

 

 

Die pas­si­ve Stimme

Was soll denn bit­te eine pas­si­ve Stim­me sein? Gibt’s dann auch eine akti­ve Stim­me?! Ich erklär’s euch direkt anhand eini­ger Bei­spie­le auf Deutsch:

Akti­ve Stimme Pas­si­ve Stimme
Der Feind hat mei­nen Freund getötet. Mein Freund wur­de vom Feind getötet.
Die Kat­ze frisst den Vogel. Der Vogel wird von der Kat­ze gefressen.
Der Jäger bringt das Wild­schwein zum Lager. Das Wild­schwein wird vom Jäger zum Lager gebracht.

 

Klar, was gemeint ist, oder? Jetzt ist es aber so, dass die Na’­vi eine „pas­si­ve Stim­me” nicht haben - wir kön­nen auf Na’­vi nicht pas­siv aus­drü­cken „wur­de getö­tet, wird gefres­sen, wird gebracht”. War­um erzähl ich euch das alles also?
Nun, es gibt einen Umweg, wie wir den glei­chen Effekt auch auf Na’­vi erzeu­gen kön­nen. Dafür gibt es eine fixe Scha­blo­ne, die sich vor allem an einer fes­ten Wort­stel­lung ori­en­tiert, näm­lich OSV - Objekt, Sub­jekt, Verb. Ähn­lich wie im Deutschen:

Der Feind hat mei­nen Freund getö­tet. Sub­jekt, Objekt, Verb; SOV.
Mein Freund wur­de vom Feind getö­tet. Objekt, Sub­jekt, Verb; OSV.
Na gut, da sind noch hier unklas­si­fi­zier­te Schnip­sel wie „vom” oder „hat” oder „wur­de”, aber der Auf­bau ist rela­tiv ähn­lich. Jedenfalls…

 

Nun gibt es meh­re­re Wege, wie man die­se spe­zi­el­le Wort­stel­lung, die über­setzt immer die pas­si­ve Stim­me im Deut­schen ergibt, auf Na’­vi anwen­den kann. Da kann man spe­zi­fi­sche Sub­jek­te wie in den Bei­spiel­sät­zen oben wählen:

Akti­ve Stimme Pas­si­ve Stimme
Kxu­tul ‘eyla­nit oeyä tspolang.
Der Feind hat mei­nen Freund getötet.
‘eyla­nit oeyä kxu­tul tspolang.
Mein Freund wur­de vom Feind getötet.
Palu­kant­syìpìl yayo­ti yom.
Die Kat­ze frisst den Vogel.
Yayo­ti palu­kant­syìpìl yom.
Der Vogel wird von der Kat­ze gefressen.
Taro­nyul fwam­p­op­ti ne tsray kämun­ge.
Der Jäger bringt das Wild­schwein zum Lager.
Fwam­p­op­ti taro­nyul ne tsray kämun­ge.
Das Wild­schwein wird vom Jäger zum Lager gebracht.

(Da das auf Pan­do­ra dem Wild­schwein ähn­lichs­te Tier wohl ein Fwam­pop [Tapi­rus] ist, habe ich mich in der Über­set­zung dafür entschieden ^^)

Oder man ent­schei­det sich für die vage, unspe­zi­fi­sche pas­si­ve Stim­me (die auch schon bereits in Lek­ti­on 8 kurz ange­schnit­ten wur­de), in der auf Deutsch über­haupt kein Sub­jekt auftaucht:

Mein Freund wur­de getötet.
Der Vogel wird gefressen.
Das Wild­schwein wird zum Lager gebracht.

Wie stellt man das jetzt auf Na’­vi an? Indem man das durch das unbe­kann­te oder nicht genann­te Sub­jekt ver­ur­sach­te Loch mit fko füllt und bei OSV bleibt:

eyla­nit oeyä fkol tspolang. Mein Freund wur­de getö­tet. („Man hat mei­nen Freund getötet.”)
Yayo­ti fkol yom. Der Vogel wird gefres­sen. („Man frisst/isst den Vogel.”)
Fwam­p­op­ti fkol ne tsray kämun­ge. Das Wild­schwein wird zum Lager gebracht. („Man bringt das Wild­schwein zum Lager.”)

Fko(l) darf man hier­bei nicht ein­fach weg­las­sen, denn die­ses Lücken­fül­ler-Sub­jekt wird in die­ser vagen Kon­struk­ti­on immer benötigt.

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