Dativ (R-Endung, -ru/-ur)
Wenn man Deutsch zur Muttersprache hat, kennt man diesen Fall glücklicherweise bereits. Wenn auch nur aus dem Buchtitel „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod”, hrh
So wie auf Deutsch einem das M von „Wem?” weiterhilft, erkennt man auf Na’vi den Dativ in der Regel an einem R. Gut, im Deutschen erkennt man ihn bei Personalpronomen ebenfalls am R, z.B. wie bei „mir” oder „dir”.
Er kann, wie die bereits uns bekannten Fälle L & T, in verschiedenen Formen auftreten; je nachdem an welches Substantiv er „angeheftet” wird. Ihr erkennt ihn also an -ru, -r oder -ur:
Beispiele:
auf … endend | R-Endung |
Konsonant | Mo’at-ur; payoang-ur; ‘angtsìk-ur |
’ tìftang | olo’-ru, olo’-ur |
Doppellaut (AY, EY, AW, EW) | karyunay-ru, karyunay-ur; Tsu’tey-ru, Tsu’tey-ur; taw-ru, taw-ur; flew-r(u) |
Pseudovokal (LL, RR) | kxll-ur; ngrr-ur |
Vokal | yayo-r, yayo-ru; ‘ora-r, ‘ora-ru; fwäkì-r, fwäkì-ru |
Den Dativ verwendet man nicht nur, um Besitz anzuzeigen (so wie wir es bereits in Lektion 2 gesehen haben, „Mir ist etwas = Ich habe etwas”), sondern auch wenn einem etwas gefällt, oder man jemandem etwas gibt.
Er wird vor allem im Zusammenhang mit intransitiven Verben und „si-Verben” verwendet. Aber eins nach dem anderen.
„Haben”
Die Sprache der Na’vi hat leider kein Wort, das unserem „haben” entsprechen würde. Wenn ihr in einem Wörterbuch also danach sucht, werdet ihr leider nix finden. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine eigene Konstruktion gibt, wie man das Ganze ausdrücken kann.
Die Na’vi benutzen dafür das Wörtchen lu (sein; bin, bist, ist, sind) und den Dativ -ru. Das haben wir auch schon kurz in Lektion 2 gesehen.
Hier ein paar Beispiele:
Oeru lu fpom. Mir ist Wohlsein. = Ich habe Wohlsein. = Mir geht’s gut.
Ngaru lu puk. Dir ist (ein) Buch. = Du hast ein Buch.
Die Wortstellung ist auch hier komplett egal, was den Dativ -ru/-ur genau so wichtig macht wie die L- und T-Endung - ohne ihn wäre nicht klar, wer hier was hat:
Dank freier Wortordnung kann man die Sätze also auch frei herum würfeln, ohne die Bedeutung zu verändern, denn der Dativ -ru hilft der Bedeutung glasklar zu bleiben:
Ngaru lu puk.
Ngaru puk lu.
Lu puk ngaru.
Lu ngaru puk.
Puk lu ngaru.
Puk ngaru lu.
Bedeutet alles dasselbe: „Du hast ein Buch”.
„Haben” + doppelter Dativ
Ja, so etwas gibt es auch. Vor allem verwendet man den doppelten Dativ mit einigen wenigen Verben, man kann ihn aber auch mit der „haben”-Schablone anwenden:
Oeru lu puk. Mir ist ein Buch. = Ich habe ein Buch.
Diese Konstruktion kann man aber auch noch erweitern, wenn man zum Beispiel folgendes sagen möchte:
Oeru lu puk ngaru. Mir ist dir ein Buch. = Ich habe ein Buch für dich.
Jenes Schema haben wir auch im Film gesehen bzw. gehört: Lu oeru aylì’u frapor(u). Mir sind Worte für alle. = Ich muss (euch) allen etwas sagen.
Dieses doppelte Auftreten des Dativ -ru kommt wie gesagt auch mit einigen wenigen anderen Verben vor - und weiter unten schauen wir uns diesen „doppelten Dativ” daher nochmal an. Jetzt aber erst mal weiter zu:
Andere intransitive Verben
Sie können ähnlich wie lu mit dem Dativ -ru verwendet werden, diese sind z.B. sunu (gefallen, mögen) oder smon (kennen, bekannt/vertraut sein):
Oeru sunu fayoang. = Mir gefallen Fische. = Ich mag Fische.
Oeru smon tsatsenge. = Mir ist jener Ort bekannt. = Ich kenne jenen Ort.
Yeysuru tawtute aho. = Der Himmelsmensch betet zu Jesus.
Na’vi oeru wou. = Die Na’vi faszinieren mich. / Ich finde die Na’vi faszinierend.
Was Subjekt, Verb und Objekt sind kennen wir ja noch aus den letzten Lektionen. Nur hier wird statt der T-Endung eben die R-Endung verwendet - wir erinnern uns; mit intransitiven Verben (vin). darf man L+T gar nicht verwenden - und da kein T verwendet wird, braucht man auch kein L. Daher steht das Subjekt ohne Fallendung da und derjenige, dem etwas gefällt oder bekannt ist, bekommt die R-Endung (Dativ).
Komisch ist hier nur, dass die Na’vi das aus deutschsprachiger Perspektive ein wenig klobig ausdrücken. Wir würden eher die Variante mit Akkusativ als mit Dativ verwenden, aber verständlich ist für uns beides. Wichtig ist hier zu verstehen, dass die Na’vi in diesen beiden Fällen auf jeden Fall nur die Dativ-Variante kennen und verwenden. Und wenn man irgendwann wie einer von ihnen klingen will, muss man es eben auch wie die Blauen machen
Wichtig zu verstehen ist auch, dass Verben wie diese hier den Dativ also einfach erfordern, denn wenn man ihn weglassen würde wäre nicht klar, wem was gefällt oder wer wen kennt:
Oe sunu fayoang. Wer mag hier wen? Ich die Fische oder die Fische mich?
Oe smon tsatsenge. Wer kennt hier wen? Ich den Ort, oder der Ort mich?
Yeysu tawtute aho. Wer betet hier wen an?
Na’vi oe wou. Wer findet hier wen faszinierend?
Dank der freien Wortstellung ist ohne Dativ hier einfach nicht klar, wer was mit wem macht, genau wie bei L&T. Daher ist auch er eine wichtige Fallendung, die uns vor allem im Zusammenhang mit intransitiven Verben klar macht, wie die Wörter eines solchen Satzes miteinander in Verbindung stehen.
Eine Übersicht der intransitiven Verben, die den Dativ erfordern können, findet ihr übrigens im Kerngrammatik-Sammelsurium.
Auch si-Verben, die von Natur aus intransitiv (vin.) sind, erfordern oft den Dativ, wenn ein (indirektes) Objekt im Spiel ist.
Ja, ich weiß; ich höre euch schon fragen, „Intransitive Verben und Objekt?! Ich dachte Objekt geht nur bei L&T?!”
Und darum kümmern wir uns jetzt.
L-, T- und R-Endung zusammen mit transitiven Verben
Das funktioniert auf Deutsch wie auf Na’vi:
Ngal tskoti tìng. Du gibst den Bogen.
Ngal tskoti tìng oer(u). Du gibst mir den Bogen.
Oel eyawrfyati wìntxu. Ich zeige den richtigen Weg (etwas zu tun).
Oel eyawrfyati wìntxu ngar. Ich zeige dir den richtigen Weg (etwas zu tun).
Ngal lì’fyati kar. Du bringst die Sprache bei. / Du lehrst die Sprache.
Ngal lì’fyati oeru kar. Du bringst mir die Sprache bei.
Awngal ‘upxareti fpe’. Wir schicken eine Nachricht.
Awngal ‘upxareti fpe’ for. Wir schicken ihnen eine Nachricht.
Taronyul syuveti vun. Der Jäger stellt Essen bereit. / Der Jäger versorgt mit Essen.
Taronyul syuveti olo’ru vun. Der Jäger stellt dem Klan Essen bereit. / Der Jäger versorgt den Klan mit Essen.
Ist euch etwas aufgefallen? Tìng, wìntxu, kar, fpe’ und vun sind transitive Verben (vtr.)! Und von denen wissen wir ja inzwischen, dass wir sie, sobald ein Objekt im Spiel ist, zusammen mit L und T verwenden müssen. L-Endung für das Subjekt, T-Endung für das Objekt - soll heißen, das Akkusativobjekt. Hier gibt es aber noch ein Dativobjekt mit R („Wem wird etwas gegeben/gezeigt/beigebracht/geschickt/bereit gestellt?”)
Transitive Verben, bei denen man alle drei Fallendungen verwenden kann, sind z.B.:
fpe’ | kar | kxìm | mok | pänutìng | peng |
senden, schicken | lehren, unterrichten, beibringen | befehlen, anordnen, verlangen, anweisen | vorschlagen | versprechen, zusagen | erzählen, sagen, berichten |
teswotìng | tìng | tung | vun | wìngay | wìntxu |
gewähren, zugestehen, bieten, bescheren | geben, schenken, reichen | erlauben, zulassen, gestatten | bereitstellen, versorgen mit | beweisen | zeigen, anzeigen |
Gar nicht soooo schwierig, oder? Gut, dann gleich weiter im Text.
si-Verben
… sind durchweg und immer von sich aus intransitiv und haben sehr oft (müssen aber nicht) ein Dativobjekt mit -ru.
Es gibt aber auch einige si-Verben, die nicht mit dem Dativ verwendet werden. Solche, die den Dativ hervorrufen können, sind im Kerngrammatik-Sammelsurium zusammengefasst.
Hier einige Beispiele solcher „si”-Verben:
irayo si (danken), kaltxì si (grüßen), txopu si (fürchten), tskxekeng si (üben, trainieren), kem si (etwas/eine Handlung tun), ‘en si (vermuten, raten), pamrel si (schreiben), lrrtok si (lächeln).
Und wie verwendet man das Ganze nun in Sätzen? Na, lasst uns doch mal sehen:
Oe ngaru irayo si. Ich tue dir Dank. = Ich danke dir.
Po kaltxì si oeru. Er/sie grüßt mich.
Tsawke lrrtok si. Die Sonne lächelt/lacht. = Die Sonne scheint.
Nga tìtxen si oeru. Du weckst mich auf.
Fo tsap’alute si awngar. Sie entschuldigen sich bei uns.
Tsyeyk kìte’e si Omatikayaru. Jake dient den Omatikaya.
Zwei „si”-Verben können auch den bereits hier erwähnten „doppelten Dativ” verursachen oder erfordern. Beispiel:
Oe pamrel si ‘upxareru. „Ich tue der Nachricht Schrift”. = Ich schreibe eine Nachricht.
Oe pamrel si ‘upxareru ngaru. Ich schreibe dir eine Nachricht.
Ein weiteres „si”-Verb dieser Art ist law si.
Tse, tskxekeng sivi ko!
tìng-Verben
Davon gibt es bisher nur eine kleine Anzahl - und sie alle sind intransitiv. Alle tìng-Verben werden allesamt mit dem eigentlichen Verb tìng („geben, schenken, reichen”) und einem Substantiv gebildet:
Audio | Na’vi | Wörtliche Übersetzung | Deutsch |
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tìng nari | Auge geben | ansehen, anschauen, betrachten |
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tìng mikyun | Ohr geben | zuhören, anhören |
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tìng ontu | Nase geben | riechen, schnuppern |
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tìng ftxì | Zunge geben | schmecken, kosten, probieren |
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tìng zekwä | Finger geben | berühren, anfassen |
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tìng lawr | Melodie geben | wortlos singen, summen, eine Melodie wiedergeben |
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tìng tseng | Platz geben | sich zurückziehen, jemandem Platz machen |
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tìng syawn | Segen geben | segnen, Segen geben |
Die Verben tìng nari, tìng mikyun, tìng ontu, tìng ftxì und tìng zekwä werden auch nochmal in der Lektion über Sinne und Wahrnehmung behandelt.
Diese Verben wurden gebildet, indem die zugrunde liegende grammatikalische Struktur aufgelöst bzw. vereinfacht und so zu einem Verb zusammen gezogen wurde - aus transitivem Verb mit Objekt wurde ein intransitives Verb:
tìng nariti | → | tìng nari |
tìng mikyunit | → | tìng mikyun |
tìng ontuti | → | tìng ontu |
tìng ftxìti | → | tìng ftxì |
tìng zekwäti | → | tìng zekwä |
tìng lawrit | → | tìng lawr |
tìng tsengit | → | tìng tseng |
tìng syawnit | → | tìng syawn |
Oel pasukur tìng ftxìti → Oe pasukur tìng ftxì. Ich probiere / koste eine Beere.
Weil sie zusammengezogen aber wie die si-Verben ein eigenständiges Verb, bestehend aus zwei Wörtern, bilden, werden sie eben entsprechend verwendet - und dies häufig bzw. zumeist mit dem Dativ. Weitere Beispiele:
Oe tskxepayru tìng ftxì. Ich probiere / koste das Eis.
Nga syulangur tìng ontu. Du riechst an einer Blume.
Poru tìng nari! Sieh ihn dir an! Schau ihn dir doch an!
Neytiri ketuwongur tìng nari. Neytiri sieht den Außerirdischen an.
Na’rìng tìng lawr. Der Wald singt.
Eywa ngaru tìng syawn. Eywa segnet dich.
Tsahìk olo’eyktanur tìng tseng. Die Tsahìk macht dem Klanführer platz.
Übung I:
Falscher Shortcode initialisiert
Übung II:
Falscher Shortcode initialisiert