Was sind Modalverben?
Wie ihr sicher schon bemerkt habt, hat sich im Verlauf der letzten Lektionen immer wieder das ein oder andere grammatikalische Element eingeschlichen, was noch nicht für sich behandelt wurde, darunter auch vor allem Modalverbkonstruktionen (sie sind halt einfach mega praktisch und geläufig, tsun pehem, hrh). Um eben jene geht’s nun endlich in dieser Lektion.
Ihr fragt euch was Modalverben sind?
Übersicht der Modalverben
Verb | Bedeutung | Beispiel | ||
tsun | vinm. | können, in der Lage sein (etwas zu tun), dürfen (Höflichkeit) | oe tsun tivaron | ich kann / darf jagen |
zene | vinm. | müssen, sollen | oe zene tivaron | ich muss / soll jagen |
zenke | vinm. | nicht dürfen | oe zenke tivaron | ich darf nicht jagen |
fmi | vtrm. | versuchen, probieren | oe fmi tivaron | ich versuche zu jagen |
may’ | vtrm. | versuchen, ausprobieren, kosten, testen | oe may’ tivaron | ich probiere zu jagen |
var | vinm. | fortführen (etwas zu tun), weitermachen, einen Zustand beibehalten | oe var tivaron | ich führe fort zu jagen |
new | vtrm. | möchten, wollen | oe new tivaron | ich möchte / will jagen |
nulnew | vtrm. | lieber wollen, bevorzugen | oe nulnew tivaron | ich bevorzuge zu jagen |
ftang | vinm. | aufhören, anhalten, stoppen | oe ftang tivaron | ich höre auf zu jagen |
sngä’i | vinm. | beginnen, anfangen, starten | oe sngä’i tivaron | ich fange an zu jagen |
sto | vtrm. | weigern (etwas zu tun), verweigern, ablehnen, abschlagen | oe sto tivaron | ich weigere (mich) zu jagen |
kan | vtrm. | zielen, beabsichtigen (etwas zu tun) | oe kan tivaron | ich beabsichtige / habe vor zu jagen |
kom | vinm. | wagen (etwas zu tun) | oe kom tivaron | ich wage (es) zu jagen |
Modalverben zu verwenden ist gar nicht so schwer, was das Ganze etwas kompliziert macht, ist, wenn die L&T-Endung auf Na’vi mit ins Spiel kommen. Aber dazu später mehr. Jetzt erstmal die Basics.
Verwendung als Vollverb
Man kann sie alleine stehend als normales Verb (Vollverb) verwenden:
Oe new. Ich will.
Oel teyluti new. Ich möchte Teylu.
Pol mautiti may’. Sie probiert/kostet eine Frucht.
Ngal fkxenit nulnew. Du bevorzugst Gemüse.
Nga tsun. Du darfst/kannst.
Po sngä’i. Er beginnt.
An und für sich sind Modalverben also stinknormale Verben, bei denen es erst einmal darauf ankommt, ob sie intransitiv oder transitiv sind. Entsprechend kann man sie wie gewohnt verwenden.
Verwendung als Modalverb
Oder man verwendet sie eben als Modalverb in einer entsprechenden Konstruktion aus Modalverb und Vollverb:
Ich möchte lernen. Oe new nivume.
Du willst jagen. Nga new tivaron.
Er muss gehen. Po zene kivä.
Sie dürfen nicht sterben. Fo zenke tiverkup.
Sie beginnt zu lesen. Po sngä’i ivinan.
Du hörst auf zu schlafen. Nga ftang hivahaw.
Sie können malen. Fo tsun wiveyn.
Du darfst essen. Nga tsun yivom.
Er wagt es zu fliehen. Po kom hivifwo.
Ich bevorzuge zu fliegen. Oe nulnew tswivayon.
Sie weigert sich zu gehorchen. Po sto livek.
Du beabsichtigst zu töten. Nga kan tspivang.
Aber Momentchen mal, was ist dieses <iv>, das in dem auf das Modalverb folgende Verb eingefügt wird?
Das Infix <iv>
Wie wir bisher gelernt haben, gibt es gewisse Wortteile, die man entweder vorne oder hinten an ein Wort „anheftet”, also so genannte Präfixe oder Suffixe. War noch relativ leicht, jetzt kommt aber eine Kopfnuss:
Infixe werden in Wörter eingesetzt, aber allerdings nur in Verben.
Der Haken an der Sache ist der, dass man Infixe nur in den dafür vorgesehenen Stellen von Verben einsetzen kann. Um dabei nicht den Überblick zu verlieren, da es so viele Infixe gibt (über 30!), teilt man Infixe generell in Positions-Gruppen ein, zumeist <0>, <1> und <2>.
Das hier gezeigte Infix <iv> nimmt Position <1> in Verben ein.
Verwirrt? Mal wieder: „kein Wunder”, aber lasst uns versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Verben mit zwei Silben
Nehmen wir mal taron als Beispiel. Es besteht aus zwei Silben: ta-ron. In jeder dieser Silben vor dem darin enthaltenen Vokal befindet sich ein solcher Positionsmarker bzw. die Stelle, wo die entsprechenden Infixe eingefügt werden würden: t<>a-r<>on.
Jeweils einer vor dem jeweiligen Vokal der beiden Silben, einmal vor a und einmal vor o. t<>a-r<>on.
Mit den Positionsmarkierungen sähe das Wort so aus:
t<0><1>ar<2>on.
Da hier und jetzt aber erst einmal nur <1> wichtig ist, konzentrieren wir uns auf die vereinfachte Darstellungsweise: t<1>aron, tivaron.
Bei hahaw sähe es nicht viel anders aus: h<0><1>ah<2>aw. - vereinfacht: h<1>ahaw, hivahaw.
Weitere Beispiele:
slele - sl<0><1>el<2>e - sl<1>ele - slivele.
‘efu - ‘<0><1>ef<2>u - ‘<1>efu - ‘ivefu.
tìran - t<0><1>ìr<2>an - t<1>ìran - tivìran.
plltxe - p<0><1>lltx<2>e - p<1>lltxe - pivlltxe.
Verben mit Vokal beginnend
Aber Vorsicht! Es gibt einige wenige zweisilbige, unregelmäßige Verben, die nicht in dieses Muster passen. omum zum Beispiel, oder inan. Die beiden sähen so aus:
<0><1>om<2>um - <1>omum - ivomum,
<0><1>in<2>an - <1>inan - ivinan.
Als generelle Faustregel (bei der aber auch Ausnahmen die Regel bestätigen) kann man folgendes zu Rate ziehen:
Infixe werden generell vor dem Vokal der entsprechenden Silbe in Verben platziert.
Da omum und inan mit einem Vokal beginnen, werden entsprechend vor diesem Vokal passende Infixe platziert.
Einsilbige Verben
Und wie sieht es bei einsilbigen Verben wie z.B. tul aus? Nun ja, tul besteht zum Glück nur aus einer Silbe, was die Sache leichter macht:
t<0><1><2>ul bzw. t<1>ul - tivul.
Bei rol sieht’s ähnlich aus: r<0><1><2>ol - r<1>ol - rivol.
Oder tìng: t<0><1><2>ìng - t<1>ìng - tivìng.
Si-Verben
Infixe kommen immer in den „si”-Teil des Verbs - und dieser ist denkbar einfach strukturiert, ähnlich wie andere einsilbige Verben:
s<0><1><2>i bzw. s<1>i - sivi.
Änderungen der Betonung von Verben durch das Einfügen von Infixen
Übrigens, die Betonung (bzw. die betonte Silbe) der (meisten) Wörter ändert sich nicht, wenn man Präfixe, Suffixe oder Infixe in/an das Wort klebt.
Soll heißen: Die ursprünglich betonte Silbe eines Verbs i.d.R. auch dann nicht ändert oder verschiebt, wenn man Infixe in das Verb einsetzt. Genauer gesagt: die Betonung bleibt auf dem Vokal der ursprünglich betonten Silbe (ka-me → ki-va-me):
Kame. KA-me. K<>ame. - Kivame, kamame, kìmame, kìyame, kayame.
Taron. TA-ron. T<>aron - Tivaron, tamaron, tìmaron, tìyaron, tayaron.
Wìntxu. wìn-TXU. W<>ìntxu - Wivìntxu, wamìntxu, wìmìntxu, wìyìntxu, wayìntxu.
‘ongokx. ‘O-ngokx. ‘<>ongokx. - ‘ivongokx, ‘amongokx, ‘ìmongokx, ‘ìyongokx, ‘ayongokx.
Hier wurden die Infixe <iv>, <am>, <ìm>, <ìy> und <ay> in die Verben eingefügt. <iv> kennen wir ja jetzt, die anderen lernen wir in der Lektion zu Zeitformen kennen.
Aber auch bei der Betonungsgeschichte im Zusammenhang mit Infixen gibt es Ausnahmen, z.B. bei inan oder omum bzw. generell bei Verben, die mit einem Vokal beginnen. Dabei verschiebt sich die Betonung nach vorne, und zwar auf den Vokal der Silbe, die mit dem Infix zusammen entsteht:
Inan. i-NAN. Achtung: <>inan. - ivinan, aminan, ìminan, ìyinan, ayinan.
Omum. o-MUM. Achtung: <>omum. - ivomum, amomum, ìmomum, ìyomum, ayomum.
Aho. a-HO. Achtung: <>aho. - ivaho, amaho, ìmaho, ìyaho, ayaho.
Bei einsilbigen Verben ist es relativ vorhersebar. Da eine Silbe nur die Silbe sein kann, die auch betont wird, bleibt der Vokal aus dieser einen ursprünglichen Silbe betont, sobald dank Infix eine weitere Silbe hinzu kommt (tul → ti-vul):
Tul. t<>ul. - Tivul, tamul, tìmul, tìyul, tayul.
Rol. R<>ol. - Rivol, ramol, rìmol, rìyol, rayol.
‘em. ‘<>em. - ‘ivem, ‘amem, ‘ìmem, ‘ìyem, ‘ayem.
Bei si-Verben ist es ähnlich, nur mit dem Zusatz, dass sich die betonte Silbe des ersten Wortes der si-Verben nicht ändert (i-ra-yo si → i-ra-yo si-vi):
Irayo si. i-RA-yo si. Irayo s<>i. - Irayo sivi, irayo sami, irayo sìmi, irayo sìyi, irayo sayi.
Kaltxì si. kal-TXÌ si. Kaltxì s<>i. - Kaltxì sivi, kaltxì sami, kaltxì sìmi, kaltxì sìyi, kaltxì sayi.
Wichtig ist noch folgendes: Wenn in Verben, die nicht mit einem Vokal beginnen, die betonte Silbe nicht von Infixen direkt berührt oder verändert wird, passiert da nichts weiter. Soll heißen, dass die betonte Silbe auch betont bleibt. Ein gutes Beispiel dafür ist tireapängkxo:
Tireapängkxo. ti-RE-a-päng-kxo. Tireap<>ängkxo. - Tireapivängkxo, tireapamängkxo, tireapìmängkxo, tireapìyängkxo, tireapayängkxo.
Übung I:
Falscher Shortcode initialisiert
Übung II:
Falscher Shortcode initialisiert
Warum ist das alles wichtig?
Nun, wie ihr oben schon beobachten konntet, werden Modalverbkonstruktionen mit dem Infix <iv> im Vollverb gebildet. Dies ist eine fixe Regel der Sprache, daher kommt man nicht drumherum gleichsam mit den Modalverben auch das Infix <iv> kennen zu lernen bzw. was Infixe generell sind und wie man sie verwendet. Die beiden gehören einfach zusammen
In den Beispielen oben hat man ja schon einige Modalverbsätze gesehen:
Ich möchte lernen. Oe new nivume.
Du willst jagen. Nga new tivaron.
Er muss gehen. Po zene kivä.
Sie dürfen nicht sterben. Fo zenke tiverkup.
Sie beginnt zu lesen. Po sngä’i ivinan.
Du hörst auf zu schlafen. Nga ftang hivahaw.
Sie können malen. Fo tsun wiveyn.
Du darfst essen. Nga tsun yivom.
Er wagt es zu fliehen. Po kom hivifwo.
Ich bevorzuge zu fliegen. Oe nulnew tswivayon.
Sie weigert sich zu gehorchen. Po sto livek.
Du beabsichtigst zu töten. Nga kan tspivang.
Im Deutschen wird in solchen Konstruktionen das Modalverb konjugiert, soll heißen, entsprechend so verändert, dass es zum Subjekt (derjenige, der die Handlung macht) auch passt (z.B. wollen → du willst) - das Vollverb nach dem Modalverb bleibt unverändert, also in seiner Grundform (jagen → jagen).
Bei den Na’vi ist es genau umgekehrt: Das Modalverb bleibt in seiner Grundform unverändert (new → new), aber das Vollverb wird entsprechend durch <iv> verändert (taron → tivaron).
Modalverb + V<iv>ollverb. So geht das bei den Na’vi.
Modalverben und Wortstellung
Eine weitere Regelung gibt es auch noch im Bezug zur Wortstellung bzw. -ordnung mit Modalverben. Dabei wird das Modalverb immer vor dem Vollverb platziert - wie in den Beispielen oben schon gesehen wurde.
Also: Modalverb, V<iv>ollverb. Oe new nivume. Nga tsun hivahaw. Und so weiter.
Man kann das Ganze aber natürlich auch entsprechend anders anordnen:
New oe nivume.
Tsun nga hivahaw.
Hier haben sich oe bzw. nga zwischen die beiden zusammengehörigen Verben gequetscht.
Oder aber:
New nivume oe.
Tsun hivahaw nga.
Die einzige Regel dabei ist, dass das Modalverb immer vor dem Vollverb stehen muss. Wo genau im Satz ist relativ flexibel, sie sollten aber dennoch so nah wie möglich beieinander stehen. Alles andere ist nur Geschmackssache bzw. eine Sache der Hervorhebung von einzelnen Wörtern (siehe Abschnitt zu „Gewicht in Sätzen” in Lektion 03).
Modalverbketten
Man kann Modalverben übrigens auch beliebig oft aneinanderreihen und dadurch wahre Modalverbketten erstellen. Dabei sollte man aber die logische Reihenfolge der Wörter bzw. Bedeutung einhalten. Beachtet dabei die Verwendung von <iv> in allen nachfolgenden Modalverben und dem Vollverb:
Po ftang vivar fmivi hivahaw. Sie hört auf fortzuführen zu versuchen zu schlafen.
Tsun awnga vivar kivan fmivi srefpivìl futa tsunslu tsaw. Wir können weiterführen zu beabsichtigen zu versuchen zu vermuten, dass das möglich ist.
Darüber, wann der Einsatz solcher übertrieben langen Modalverbketten sinnvoll ist (vor allem ohne dabei irgendwann lächerlich zu klingen), bleibt jedem selbst überlassen zu entscheiden. Kurze Modalverbketten (bestehend aus zumeist zwei Modalverben + Verb) kommen jedoch vergleichsweise häufig vor:
Oe new vivar nivume. Ich möchte fortführen zu lernen.
Po tsun sngivä’i tivaron nì’i’a. Sie kann endlich anfangen zu jagen.
Fmi oder may’?
Und zu guter letzt noch etwas zum Unterschied zwischen fmi und may’; um den zu erklären bediene ich mich einfach mal eines Zitats von Karyu Pawl, übersetzt von xMine:
Aber wie es sich von fmi unterscheidet bedarf wohl einer kleinen Erklärung. Fmi bedeutet so viel wie „ausprobieren”, man versucht also, die besagte Aktion auszuführen. May’ bezieht sich eher auf die Erfahrung, die man beim ausführen einer Tätigkeit hat. (…)
Vergleicht nun diese beiden Sätze: Fmi mivakto pa’lit! „Versuch mal, das Schreckenspferd zu reiten! (Ich wette, dass du das kannst!)” - May’ mivakto pa’lit! „Probier mal, ein Schreckenspferd zu reiten! (Vielleicht wird dir das besser gefallen, als ein Ikran zu reiten.)”
Kurz gesagt hat fmi etwas mit Fähigkeit zu tun, während may’ sich eher auf Vorliebe oder Geschmack bezieht.
Übung III:
Falscher Shortcode initialisiert