Wie ihr sicher schon bemerkt habt, hat sich im Verlauf der letzten Lektionen immer wieder das ein oder andere grammatikalische Element eingeschlichen, was noch nicht für sich behandelt wurde, darunter auch vor allem Modalverbkonstruktionen (sie sind halt einfach mega praktisch und geläufig, tsun pehem, hrh). Um eben jene geht's nun endlich in dieser Lektion.
Modalverben? Kennen wir auch im Deutschen: können, mögen, wollen, sollen, müssen, dürfen, und so weiter. In Na'vi-Wörterbüchern werden sie oftmals durch vtrm. (transitives Modalverb) oder vinm. (intransitives Modalverb) gekennzeichnet.
Ein Modalverb ist "ein Verb, das ein Vollverb dahingehend ergänzt, dass es ausdrückt, ob die Handlung zum Beispiel möglich, gewollt oder notwendig ist." (Quelle)
Hier eine Übersicht der Modalverben:
Verb | Klassifizierung | Bedeutung |
tsun | vinm. | können, in der Lage sein (etwas zu tun), dürfen (Höflichkeit) |
zene | vinm. | müssen, sollen |
zenke | vinm. | nicht dürfen |
fmi | vtrm. | versuchen, probieren |
may' | vtrm. | versuchen, ausprobieren, kosten, testen |
var | vinm. | fortführen (etwas zu tun), weitermachen, einen Zustand beibehalten |
new | vtrm. | möchten, wollen |
nulnew | vtrm. | lieber wollen, bevorzugen |
ftang | vinm. | aufhören, anhalten, stoppen |
sngä'i | vinm. | beginnen, anfangen, starten |
sto | vtrm. | weigern (etwas zu tun), verweigern, ablehnen, abschlagen |
kan | vtrm. | zielen, beabsichtigen (etwas zu tun) |
kom | vinm. | wagen (etwas zu tun) |
Modalverben zu verwenden ist gar nicht so schwer, was das Ganze etwas kompliziert macht, ist, wenn die L&T‑Endung auf Na'vi mit ins Spiel kommen. Aber dazu später mehr. Jetzt erstmal die Basics:
Wie in Lektion 13 schon angesprochen, wird <iv> auch im Zusammenhang mit Modalverben verwendet…
Ich möchte lernen. Oe new nivume.
Ich möchte essen. Oe new yivom.
Du willst jagen. Nga new tivaron.
Er muss gehen. Po zene kivä.
Sie beginnt zu lesen. Po sngä'i ivinan.
Sie dürfen nicht sterben. Fo zenke tiverkup.
Du hörst auf zu schlafen. Nga ftang hivahaw.
Sie können malen. Fo tsun wiveyn.
Wie ihr sehen könnt, muss man <iv> in dem auf das Modalverb folgende Verb einfügen!
Das ganze kann man natürlich auch mit anderen Elementen wie Zeitformen, Stimmungsinfixen und so weiter mischen. Beispiele:
Wir wollten schwimmen. Moe namew slivele.
Du wirst jagen dürfen. Nga tsayun tivaron.
Sie durfte nicht singen :( Po zolenängke rivol. (Nicht zolenkänge, mehr zu zenke und Infixen siehe unten.)
Solche Infixe müssen dann aber ins Modalverb selber und nicht in das darauf folgende Verb eingesetzt werden. Eine Ausnahme bilden da vor allem ab und an <eyk> und <äp>; sie können auch in das Verb auf das Modalverb folgend eingefügt werden, damit das ganze Gefüge sinnvoll bleibt:
Ke tsun tìvawm käpivurakx, nì'aw takem sivi atan. Die Dunkelheit kann sich nicht selbst austreiben, nur das Licht möge dies tun.
Ke new läpivawk oe nulkrr. Ich möchte nicht länger über mich reden.
Zene zeykivo poti tiretul. Der Schamane muss ihn heilen.
Die Wortstellung/Anordnung bei Modalverben ist vorzugsweise: das Modalverb und danach direkt das damit verwendete, andere Verb — wie in den Beispielen oben. Also: Modalverb, Verb. Oe new nivume. Nga tsun hivahaw. Und so weiter.
Man kann das Ganze aber natürlich auch entsprechend anders anordnen:
New oe nivume.
Tsun nga hivahaw.
Hier haben sich oe bzw. nga zwischen die beiden zusammengehörigen Verben gequetscht.
Oder aber:
New nivume oe.
Tsun hivahaw nga.
Die einzige Regel dabei ist, dass das Modalverb immer vor dem anderen, dazugehörigen Verb stehen muss. Wo genau im Satz ist relativ flexibel, sie sollten aber dennoch so nah wie irgend möglich beieinander stehen. Alles andere ist nur Geschmackssache bzw. eine Sache der Hervorhebung von einzelnen Wörtern (siehe Abschnitt zu "Gewicht in Sätzen" in Lektion 03).
Vor allem im Zusammenhang mit si-Verben lassen sich so interessante Wortordnungen zaubern. Beispiel aus einem Blogpost von Karyu Pawl höchstpersönlich:
Ha kempe tsun sivi (fko) set?
Die geläufigere Anordnung wäre
Ha tsun kempe sivi (fko) set?
… Aber beide Varianten sind möglich. Schon interessant, vor allem in anbetracht dessen, was wir bzgl. si-Verben gelernt haben (Lektion 10). Damit ihr jetzt nicht auf Lektion 10 zurückspringen müsst (:P), hier nochmal konkret das gemeinte Beispiel:
Tsakem a ke tsolun sivi oe ke lu ftue.
Um's etwas klarer zu machen: Kem si besteht ja aus einem Substantiv und dem Hilfsverb si. Im Bezug auf Modalverben ist es also nur wichtig, dass das Modalverb grundlegend vor den si-Teil des si-Verbes gestellt wird. Wohin genau das Substantiv des si-Verbes gepackt wird, scheint dabei nebensächlich zu sein — solange es ebenfalls vor dem si-Teil des si-Verbes steht.
Modalverben kann man natürlich auch alleine als eigenständiges Verb verwenden, ohne Modalverbkonstruktionen wie die oben stehenden:
Oel teyluti new. Ich möchte Teylu.
Pol mautiti may'. Sie probiert/kostet eine Frucht.
Was ist aber nun, wenn man das Ganze in komplexeren Sätzen (mit Fallendungen usw.) anwenden möchte? Nun ja, da kommen einige besondere Regeln für Modalverb-Konstruktionen hinzu, die man verinnerlichen und beachten sollte. (Für detailliertere Infos auf Englisch dazu, lest euch gerne Karyu Pawls Blogpost dazu durch: http://naviteri.org/2011/03/word-order-and-case-marking-with-modals/)
Die generell bevorzugte und empfohlene Satzstellung für Modalkonstruktionen mit L&T‑Endungen sieht wie folgt aus:
Ich möchte Teylu essen. Oe new yivom teylut.
(S vm. v. O / Subjekt Modalverb Verb Objekt)
Hier wird das L, was eigentlich an oe angehängt werden müsste, weggelassen — und das ist grammatikalisch korrekt so, denn Modalkonstruktionen in dieser Satzstellung erlauben bzw. erfordern dies sogar.
Genauso möglich und weit akzeptiert bzw. noch mehr bevorzugt ist aber auch folgende Stellung:
Ich möchte Teylu essen. Oel teyluti new yivom.
(S O vm. v. / Subjekt Objekt Modalverb Verb)
Andere Stellungen sind natürlich auch möglich, aber je nachdem weniger bis gar nicht akzeptabel (soll heißen, Na'vi würden darüber wahrscheinlich die Nase rümpfen). Bleibt also vorzugsweise bei den beiden oben stehenden Satzstellungen.
Öfters wird auch das Subjekt zwischen Modalverb und dazugehöriges Verb gepackt, wie z.B. in New oe yivom teylut. Dabei wird wie im ersten Beispiel dieses Abschnitts keine L‑Endung angehängt.
Man kann Modalverben übrigens auch beliebig oft aneinanderreihen und dadurch wahre Modalverbketten erstellen. Dabei sollte man aber die logische Reihenfolge der Wörter bzw. Bedeutung einhalten. Beachtet dabei die Verwendung von <iv> selbst in den nachfolgenden Modalverben:
Po ftang vivar fmivi hivahaw. Sie hört auf fortzuführen zu versuchen zu schlafen.
Tsun awnga vivar kivan fmivi srefpivìl futa tsunslu tsaw. Wir können weiterführen zu beabsichtigen zu versuchen zu vermuten, dass das möglich ist.
Darüber, wann der Einsatz solcher übertrieben langen Modalverbketten sinnvoll ist (vor allem ohne dabei irgendwann lächerlich zu klingen), bleibt jedem selbst überlassen zu entscheiden. Kurze Modalverbketten (bestehend aus zumeist zwei Modalverben + Verb) kommen jedoch vergleichsweise häufig vor:
Oe new vivar nivume. Ich möchte fortführen zu lernen.
Po tsun sngivä'i tivaron nì'i'a. Sie kann endlich anfangen zu jagen.
Die Extrawurst namens zenke
Mal davon ab, dass zenke umgangssprachlich bzw. generell eher zengke ausgesprochen wird, zickt es etwas rum, wenn man Infixe in dieses Modalverb packen möchte.
Ursprünglich stammt zenke von folgender Konstruktion ab: zene ke (2. Verb), zum Beispiel zene ke kivä ("… darf nicht gehen"). zene und ke wurden also einfach zuerst zu zeneke und dann zu zenke zusammengezogen.
Dies ist deswegen relevant, weil aus zenke wieder zeneke wird (das weggelassene zweite e schleicht sich also wieder zurück ins Wort), sobald man <ats> oder <uy> in dieses Modalverb einfügt:
zenke + <ats> = zenatseke
zenke + <uy> = zenuyeke
Dies gilt aber nur für diese beiden Infixe, bei allen anderen verhält sich zenke mehr oder minder entsprechend vorhersehbar:
zenke + z.B. <ol> = zolenke
zenke + z.B. <äng> = zenängke
zenke + z.B. <ay> + <ei> = zayeneike
Und nochmal das Beispiel von oben:
zenke + z.B. <ol> + <äng> = zolenängke
Die zweite Infixpoisition bei zenke ist also nicht zenk<2>e, sondern zen<2>ke, weil das Usprungsverb zene (zen<2>e + ke) ist.
Nochmal mit allen Infixpositionsgruppen: z<0><1>en<2>ke.
Und zu guter letzt noch etwas zum Unterschied zwischen fmi und may'; um den zu erklären bediene ich mich einfach mal eines Zitats von Karyu Pawl, übersetzt von xMine:
Das Verb may' bedeutet "ausprobieren, probieren, an etw. riechen, blicken" – Einfach gesagt also etwas schnell mit allen Sinnen zu beurteilen. Zusätzlich umfasst may' nicht nur die sensorische Bedeutung (auch die des Geschmackssinns, Anm.v. EU), sondern beinhaltet auch die Bedeutungen von "bewerten, anprobieren, ausprobieren". Man könnte zum Beispiel einen neuen Bogen may'-en, etwas neues zum Anziehen, ein unbekanntes pa'li, einen neu-gelernten Tanzschritt (…) Die Ermahnung Mivay' oder May' ko steht dabei für "Versuchs doch mal!".
(…) Aber wie es sich von fmi unterscheidet bedarf wohl einer kleinen Erklärung. Fmi bedeutet so viel wie "ausprobieren", man versucht also, die besagte Aktion auszuführen. May' bezieht sich eher auf die Erfahrung, die man beim ausführen einer Tätigkeit hat. (…)
Vergleicht nun diese beiden Sätze:
Fmi mivakto pa'lit!
"Versuch mal, das Schreckenspferd zu reiten! (Ich wette, dass du das kannst!)"
May' mivakto pa'lit!
"Probier mal, ein Schreckenspferd zu reiten! (Vielleicht wird dir das besser gefallen, als ein Ikran zu reiten.)"
Kurz gesagt hat fmi etwas mit Fähigkeit zu tun, während may' sich eher auf Vorliebe oder Geschmack bezieht.
Übung I:
Welche Version/en ist/sind korrekt?
1. Sie ist schüchtern, daher kann sie nicht vor Leuten singen.
|
2. Versuch (das) acht Mal schnell zu sagen!
|
3. Die Schamanin muss dieses Omen deuten.
|
4. Ich würde es bevorzugen alleine zu essen.
|
5. Er hat abgelehnt mit mir zusammen zu arbeiten.
|
6. Wenn sich ein Ikran mit einer Person verbindet, hört er auf wild zu sein.
|
7. Ich hatte gerade beabsichtigt ihn zu töten.
|
8. Nachts beginnt der Wald durch Bioluminiszenz zu leuchten.
|
Übung II: